Sogenannte "Pay or Okay"-Systeme sind in Europa auf dem Vormarsch. Anstatt den Nutzer:innen die Wahl zu lassen, Werbetracking zu akzeptieren oder abzulehnen, verlangen "Pay or Okay"-Systeme eine Zahlung für die Verweigerung der "Einwilligung". Dies drängt 99,9 % der Betroffenen dazu, ihre Einwilligung zu geben – und zwar selbst dann, wenn sie dies eigentlich nicht wollen. Der Europäischen Datenschutzausschuss arbeitet derzeit an Leitlinien zu diesem höchst umstrittenen Ansatz. noyb hat deshalb eine Studie über die Wahlfreiheit der Nutzer:innen in Auftrag gegeben.
Hintergrund. Viele Menschen stehen im Internet mittlerweile vor der Entscheidung: Zahle ich eine Gebühr oder bin ich damit einverstanden, für personalisierte Werbung getrackt zu werden? Nachrichtenmedien, Facebook, Instagram und viele andere haben in den letzten Jahren begonnen, ein solches "Pay or Okay"-System einzusetzen. Das Ziel ist dabei, die Einwilligungsraten auf bis zu 99,9 % zu erhöhen. Nutzer:innen werden also aggressiv zur Einwilligung gedrängt, in der Hoffnung, etwas mehr Geld als mit herkömmlichen Cookie-Bannern zu verdienen. Dies hat zu einer hitzigen Diskussion geführt, in der einige "Pay or Okay" unter anderem als "Zwangsvollstrecker für 'Freiwillige' Einwilligung" bezeichnet wurde.
Politische und emotionale Diskussion. Im April 2024 veröffentlichte der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) dann seine erste Stellungnahme zu "Pay or Okay". Darin schlug der EDSA vor, dass Nutzer:innen nicht nur zwei ("Bezahlen" oder "Einwilligung"), sondern drei Optionen ("Bezahlen", "Einwilligung" oder "Werbung ohne Tracking") haben sollten. Meta versuchte, den EDSA wegen dieser Stellungnahme zu verklagen. Einige Nachrichtenmedien behaupten unterdessen, dass sie "Pay oder Okay" aus wirtschaftlichen Gründen brauchen. Aber was ist mit den Wünschen der betroffenen Personen?
"Pay or Okay" Nutzer:innenstudie. EU-Datenschutzrecht verlangt, dass Nutzer:innen eine "echte oder freie Wahl" haben. Um herauszufinden, ob dieses Recht respektiert wird, hat noyb eine wissenschaftliche Studie über die Wahlmöglichkeiten der Nutzer:innen in Auftrag gegeben. Die teilnehmehnden Personen mussten während der Studie zwar keine echten Zahlungen leisten. Die Ergebnisse sind dennoch eindeutig:
- Wenn man sie offen fragt, sind nur etwa 2 von 10 Personen damit einverstanden, dass Unternehmen ihre Daten sammeln und analysieren.
- Wenn sie aber zwischen "Bezahlen" und "Einwilligen" wählen müssen, entschieden sich etwa 9 von 10 Personen für die "Einwilligung". Die hohe Einwilligungsrate scheint darauf zurückzuführen zu sein, dass es keine vernünftige Alternative gibt.
- Wenn die drei Optionen "Bezahlen", "Einwilligung" und "Werbung ohne Tracking" zur Auswahl stehen, entscheiden sich die meisten Nutzer:innen für die letztere Option. 7 von 10 Personen entscheiden sich dann für die Option "Werbung, aber kein Tracking".
Das verdeutlicht, dass die "dritte Option" (wie vom EDSA vorgeschlagen) auch durch objektive Beweise unterstützt wird: Die Nutzer:innen akzeptieren die Finanzierung von Websites durch Werbung – aber kein Onlinetracking.
Kein Unterschied zwischen verschiedenen Websites. Die Studie zeigt auch, dass sich das Nutzungsverhalten nicht verändert, wenn sich Personen auf großen sozialen Netzwerken, journalistischen Seiten oder anderen Websites befinden. Daher gibt es keine sachliche Grundlage dafür, diese Websites unterschiedlich zu behandeln und z. B. andere "Pay or Okay"-Richtlinien für Nachrichtenseiten zu erstellen als für soziale Medien.
"Datenschutzgebühr" vs. "Bezahlen für eine Dienstleistung". "Pay or Okay" zwingt Nutzer:innen eine Datenschutzgebühr zu bezahlen, wenn sie ihr Recht auf Online-Privatsphäre behalten wollen. Dabei ist natürlich klar, dass Websitebetreiber ein Entgelt für den Zugang zu Inhalten oder eine angebotene Dienstleistung (wie Netflix für Fernsehsendungen oder Spotify für Musik) verlangen können. "Pay or Okay"-Systeme verlangen jedoch Geld für die Einhaltung der Datenschutzrechte – und zwar ohne Gegenleistung. Leider verwechselt dies sogar die französische Datenschutzbehörde und verweist auf eine Umfrage, um "Pay or Okay" zu unterstützen.