Das österreichische Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat eine frühere Entscheidung der Datenschutzbehörde (DSB) bestätigt, wonach die österreichische Zeitung DerStandard mit seiner „Pay or Okay“-Implementierung gegen die DSGVO verstoßen hat. Sowohl die DSB als auch das Gericht haben entschieden, dass Nutzer:innen die Möglichkeit haben müssen, die Einwilligung zu jedem Verarbeitungszweck einzeln abzugeben oder zu verweigern. Dieser Fall wird nun wahrscheinlich vor dem österreichischen Verwaltungsgerichtshof (VwGH) landen – und von dort möglicherweise zum Europäischer Gerichtshof (EuGH) gehen.

- Urteil des BVwG
- Hintergrundinformationen zu den Beschwerden
- noyb-Bericht über die wirtschaftlichen Aspekte von „Pay or Okay“ und Online-Werbung
- noyb's FAQs zu "Pay oder Okay"
Hintergrund. DerStandard ist die führende liberale Zeitung in Österreich und war die erste Website, die mit Inkrafttreten der DSGVO ein sogenanntes „Pay or Okay”-Modell eingeführt hat. Anstatt den Nutzer:innen eine echte Wahl zu geben, können diese entweder ein monatliches Abonnement zu einem Preis von derzeit 9,90 € abschließen oder dem Online-Tracking durch hunderte Drittanbieter zustimmen.
Extreme Einwilligungsraten. Laut Studien wollen nur 1–7 % aller Nutzer:innen für Online-Werbung getrackt werden, wenn sie offen danach gefragt werden. Bei „Pay or Okay“-Bannern stimmen jedoch 99,9 % der Nutzer:innen Online-Tracking zu. Wenn mehr als 90 % der Nutzer:innen anders entscheiden als sie tatsächlich wollen, kann von einerechten Wahl keine Rede sein.
Max Schrems: „Wir werden den Online-Journalismus nicht mit ein paar Cent pro Monat von Google Ads retten. Gleichzeitig untergräbt „Pay or Okay“ ein Kernkonzept der DSGVO – die freiwillige Einwilligung. Anstelle einer echten Wahlmöglichkeit für Nutzer:innen ergeben sich bei diesem System nordkoreanische Einwilligungsraten von 99,9 %. Weder DerStandard noch die Datenschutzbehörde können erklären, wie sie diesen rein politischen Gefallen auf die Presse beschränken wollen – wir sehen bereits jetzt, dass Instagram und Facebook den gleichen Ansatz verfolgen und nun für Grundrechte Gebühren verlangen.”
Die Entscheidung der DSB. In einer eher politischen als rechtlichen Entscheidung vertrat die österreichische Datenschutzbehörde (DSB) die Auffassung, dass „Pay or Okay“ grundsätzlich kein Problem darstelle – und ignorierte dabei Einwilligungsraten von 99,9 %. Gleichzeitig befand die DSB, dass der Ansatz von DerStandard zu „Pay or Okay“ rechtswidrig sei, da er nur eine pauschale Einwilligung oder Ablehnung zulasse – obwohl das Gesetz vorsieht, einzelnen Verarbeitungszwecken zuzustimmen. DerStandard legte Berufung ein und argumentierte, dass eine solche „granulare“ Zustimmung in einem „Pay or Okay“-System nicht möglich sei, da beispielsweise Tracking und Statistiken erforderlich sind, um Werbung in der kostenlosen Version zu verkaufen.
Max Schrems: „Die Entscheidung der DSB aus dem Jahr 2023 war rein politisch. Während auf anderen Seiten sogar ein grauer Button in einem Cookie-Banner für rechtswidrig befunden wurde, will die Behörde die Presse nicht anrühren. Anstatt „Pay or Okay“ als System zu kritisieren und zu sagen, dass Einwilligungsquoten von 99,9 % zeigen, dass die Einwilligung nicht freiwillig sein kann, hat sich die Behörde mit einer Nebensächlichkeit aufgehalten. Was wir hier haben, ist eine reine „Scheinwahl”, die kaum jemand will oder nutzt – nur um vorzutäuschen, dass für Nutzer:innen eine Wahl bestünde.”
Die Gerichtsentscheidung. Das österreichische Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hat nun die Entscheidung der DSB bestätigt, dass DerStandard keine gültige Einwilligung eingeholt hat und die Beschwerde der Zeitung dazu zurückgewiesen. Eine Anfechtung vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) ist möglich, da es sich um eine Rechtsfrage handelt, die noch nicht höchstgerichtlich entschieden wurde. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) diesen Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegen wird.
Max Schrems: „Die Entscheidung der Datenschutzbehörde wurde einfach bestätigt. Es ist absehbar, dass dieser Fall höchstwahrscheinlich vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) landen wird. Ich denke, alle Beteiligten sind sich bewusst, dass ‚Pay or Okay‘ dem EuGH vorgelegt wird.“
Kein Rechtsmissbrauch. DerStandard hat auch versucht, sich auf eine Entscheidung aus Belgien zu berufen, wonach ein „Musterfall“ einer NGO einen „Rechtsmissbrauch“ darstelle und daher unzulässig sei. Diese Argumentation wurde vom österreichischen Gericht abgelehnt und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung in Österreich und Deutschland entschieden wonach „Musterverfahren“ zulässig und rechtmäßig sind.
Max Schrems: „Wir waren überrascht, dass eine Zeitung plötzlich versucht, die Arbeit von NGOs vor Gericht zu diskreditieren. Wir sind erfreut, dass das Gericht derartige Ideen verworfen hat. Die belgische Entscheidung bleibt somit eine Ausnahme in Europa.“