noyb hat heute eine Beschwerde und Anzeige gegen den Gläubigerschutzverband KSV1870 bei der österreichischen Datenschutzbehörde eingereicht. Obwohl die Auskunft nach Artikel 15 DSGVO eigentlich kostenlose wäre, macht der KSV1870 große Gewinne damit. Mithilfe irreführender Website-Designs werden Menschen dazu gedrängt, einen hochpreisigen “InfoPass” statt einer gratis Kopie zu erwerben. Ziel dieser Masche sind wohl vor allem ausländische Personen, da etwa die Wiener Einwanderungsbehörde (MA35) die KSV-Daten als Nachweis für die Solvenz verlangen. Der Schaden bei unwissenden Betroffenen dürfte in die Millionen gehen.
Nachweis der Zahlungsfähigkeit. Wer ein österreichisches Visum beantragen oder seinen Aufenthaltstitel verlängern möchte, muss gegenüber der Einwanderungsbehörde nachweisen können, dass man den eigenen Lebensunterhalt ohne staatliche Hilfen bestreiten kann. Hierfür prüft etwa die MA 35 in Wien, ob die Person zum Beispiel offene Kredite oder unbezahlte Schulden hat oder ob gar eine Insolvenz vorliegt. Die MA35 verfügt über diese Daten nicht selbst. Aufenthaltsbewerber:innen müssen deshalb bei einem Gläubigerschutzverband wie dem KSV um eine Auskunft zu ihren Daten ansuchen. Dieser hat ein lukratives Geschäft daraus gemacht, oft auf Kosten ahnungsloser Personen.
“InfoPass” für € 43 statt gratis Auskunft. Die MA35 akzeptiert explizit eine gratis Auskunft nach Artikel 15 DSGVO. Trotzdem gaukelt der KSV1870 unwissenden Betroffenen vor, dass nur ein sogenannter “InfoPass” bei Behörden vorgelegt werden kann und verlangt derzeit 43 Euro dafür. Was dabei verschwiegen und gezielt verschleiert wird: Betroffene Personen haben in der EU gesetzlichen Anspruch, ebendiese Auskunft kostenlos und unverzüglich zu erhalten. Bei jährlich mehr als 114.000 Behördengängen allein bei der Wiener MA35 ergibt dies über die Jahre Millionenbeträge, die unwissenden Betroffenen aus der Tasche gezogen werden.
Marco Blocher, Datenschutzjurist bei noyb: „Der KSV macht es Betroffenen fast unmöglich, von ihrem gesetzlichen Auskunftsrecht Gebrauch zu machen. Stattdessen wird mit allen Mitteln versucht, den Menschen ihre eigenen Daten zu verkaufen. Opfer dieser Praktik sind vor allem Leute, die oft ohnehin über wenig Mittel verfügen und die deutsche Sprache noch nicht beherrschen.“
Verschleierung statt Erleichterung. Laut DSGVO müssen Unternehmen es Betroffenen erleichtern, von ihrem gesetzlichen Auskunftsrecht Gebrauch zu machen und die angeforderten Informationen in leicht zugänglicher Form übermitteln. Der KSV hält sich nicht an diese Verpflichtungen. Ganz im Gegenteil versucht das Unternehmen vehement, die kostenlose Auskunft zu verstecken. Auf seiner Webseite verbirgt der KSV die kostenlose Auskunft in der Fußzeile am Ende der Seite und hinter manipulativen Designs, die die Ausübung des Grundrechts erschweren. Online-Suchen mithilfe gängiger Suchmaschinen führen stets zum Bezahlprodukt. Zudem behauptet der KSV wahrheitswidrig, dass nur ihre Bezahlprodukte zur Vorlage an Dritte geeignet seien.
Unverhältnismäßig lange Wartezeit. Laut DSGVO muss die Auskunft nach Artikel 15 “unverzüglich” passieren. Dennoch gibt der KSV1870 auf seiner Webseite an, dass die Lieferfrist nur bei zahlenden Kund:innen 3 Tage beträgt. Bei der Auskunft nach DSGVO wird hingegen eine Wartezeit von 25-30 Tagen angegeben. Damit verstößt der KSV1870 auch gegen die gesetzliche Verpflichtung, angeforderte Daten „unverzüglich“ an betroffene Personen zu übermitteln. Auf technische oder organisatorische Hürden kann sich das Unternehmen dabei nicht herausreden: Die kostenpflichtigen InfoPässe werden tatsächlich problemlos innerhalb weniger Tage bereitgestellt.
KSV1870 umgeht MA35. Besonders perfide macht das Ganze, dass der MA 35 mittlerweile verboten wurde, auf das Bezahlprodukt des KSV zu verweisen. Die Behörde verlinkt seither ausdrücklich auf die kostenlose Selbstauskunft nach Artikel 15 DSGVO. Diese Änderung geht auf eine offizielle Rüge des Stadtrechnungshofs Wien zurück. Das hat dazu geführt, dass der KSV1870 seine Webseite noch unübersichtlicher gemacht hat – und sogar auf der Seite zur Beantragung einer kostenlosen Auskunft mit dem kostenpflichtigen InfoPass wirbt. Erst wenn man hinunterscrollt, findet man hier die Möglichkeit, eine Auskunft nach DSGVO anzufordern. Damit setzt sich der KSV1870 über die Hinweise des Wiener Stadtrechnungshofs hinweg und führt die Verbesserung durch die MA 35 ad absurdum.
Marco Blocher, Datenschutzjurist bei noyb: „Die MA 35 hat eingelenkt und verlinkt nun zur kostenfreien Auskunft auf der Webseite des KSV1870. Der KSV1870 unterminiert nun sogar die MA35 und versucht auf der Seite für gratis Auskünfte wieder den 43 Euro teuren ‘InfosPass’ zu bewerben.“
Beschwerde und Anzeige gegen KSV1870. noyb hat nun eine Beschwerde gegen den KSV bei der österreichischen Datenschutzbehörde (DSB) eingebracht. Das systematische Verstecken und die Verzögerung der kostenlosen Auskunft stellt einen Verstoß gegen die DSGVO dar. noyb erstattet außerdem Anzeige bei der DSB, da das Unternehmen systematisch das gesetzliche Gebot der Kostenfreiheit umgeht und die Unwissenheit betroffener Personen ausnutzt, um sie zum Kauf der InfoPässe zu verleiten.