EuGH-GA: Meta muss Werbedaten von Nutzern "minimieren"

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 /  Thu, 25.04.2024 - 11:00

Erste Stellungnahme. Die Stellungnahme der AG (C-446/21) wurde veröffentlicht. 

Court of Justice of the European Union

Katharina Raabe-Stuppnig, Rechtsanwältin von Herrn Schrems: "Wir sind sehr zufrieden mit den Schlussanträgen, auch wenn dieses Ergebnis eigentlich zu erwarten war."

Datennutzung für Werbung muss eingeschränkt werden. Bislang nutzt Meta alle Daten, die es jemals gesammelt hat, für Werbung. Facebook-Nutzer:innendaten können zum Beispiel bis ins Jahr 2004 zurückreichen. Um solche Praktiken zu verhindern, hat die DSGVO in Artikel 5(1)(c) den Grundsatz der "Datenminimierung" eingeführt. Bislang hat Meta dies einfach ignoriert. Die Anwendung des "Grundsatzes der Datenminimierung" schränkt die Verwendung personenbezogener Daten für Werbung radikal ein – selbst wenn Nutzer:innen in diese eingewilligt haben. Der Grundsatz gilt außerdem unabhängig von der Rechtsgrundlage für die Verarbeitung. Dadurch können selbst die persönlichen Daten von Nutzer:innen, die in personalisierte Werbung eingewilligt haben, nicht auf unbestimmte Zeit verwendet werden. Während der Generalanwalt (wie üblich) für die genaue Entscheidung auf die nationalen Gericht verweist, nennt er Faktoren wie die Art der Daten (z.B. Stammdaten oder Verhaltensdaten), die Art der Datenerhebung (aktiv zur Verfügung gestellte Daten oder passives Tracking) oder die Quelle (z.B. innerhalb des Sozialen Netzwerks oder auf Drittseiten).

Katharina Raabe-Stuppnig: "Meta baut schon seit 20 Jahren einen riesigen Datenpool über seine Nutzer:innen auf, und er wächst täglich weiter. Das EU-Recht verlangt jedoch eine 'Datenminimierung'. Folgt der Gerichtshof den Schlussanträgen, darf nur ein kleiner Teil dieses Pools für Werbung verwendet werden auch wenn die Nutzer:innen der Werbung zugestimmt haben."

Grenzen für das "Scraping" von Daten - auch bei "veröffentlichten" Daten. Im Zusammenhang mit den sehr persönlichen Informationen, die Meta über Herrn Schrems (über Werbepartner) gesammelt hat, entstand eine Diskussion darüber, ob die anschließende öffentliche Kritik an solchen Praktiken zu einem "Verzicht" auf das Recht auf Privatsphäre von Herrn Schrems (in Bezug auf die ursprünglich unrechtmäßige Verarbeitung) führen würde. Herr Schrems hat immer zugestanden, dass der diese Informationen "offensichtlich öffentlich" gemacht hat im Sinne von Artikel 9(1)(e) DSGVO - das erlaubt aber nicht diese Daten für Werbezwecke zu nutzen. Zwar handelt es sich hier um eine sehr spezifische Situation, die Auslegung des Gesetzes ist aber auch im breiteren Kontext des "Web Scraping" relevant. Hierbei werden öffentlich zugängliche Informationen einfach entnommen und für andere Zwecke verarbeitet. Herr Schrems argumentierte, dass der Grundsatz der "Zweckbindung" in Artikel 5(1) der DSGVO hier parallel angewendet werden muss. Diese Ansicht wird nun auch vom Generalanwalt vertreten.

Katharina Raabe-Stuppnig: "Nur weil bestimmte Informationen öffentlich sind, heißt das nicht, dass sie für andere Zwecke verwendet werden können. Wenn man einen politischen Kommentar in den sozialen Medien abgibt, kann dieser nicht für gezielte politische Werbung verwendet werden. Wenn Nutzer:innen alle Rechte an veröffentlichten Informationen verlieren, hätte das eine enorme Abschreckungswirkung auf die freie Meinungsäußerung."

Worum geht es in diesem Fall? Der Fall betrifft ein Zivilverfahren zwischen Max Schrems als Einzelperson und Meta Ireland Platforms Limited (als Betreiber von "Facebook") vor den österreichischen Gerichten. Der Fall wurde in Österreich erstmals im Jahr 2020 in vollem Umfang verhandelt und betrifft eine Vielzahl von Verstößen gegen die DSGVO. Darunter das Fehlen einer Rechtsgrundlage für Werbung und Ähnliches. Der Oberste Gerichtshof Österreichs hat dem EuGH im Jahr 2021 vier Fragen vorgelegt. Da jedoch ein anderer Fall (C-252/21 Bundeskartellamt) teilweise ähnliche Fragen betraf, hat der EuGH den Rechtsstreit zwischen Herrn Schrems und Meta bis 2024 "pausiert". Die ursprünglichen Fragen 1 und 3 wurden (indirekt) "gewonnen", da sich der EuGH in der Rechtssache C-252/21 Bundeskartellamt der Auffassung von Herrn Schrems anschloss. Der Rest der Rechtssache wurde dann am 8. Februar 2024 in Luxemburg verhandelt, allerdings beschränkt auf zwei verbleibende Fragen (ursprüngliche Fragen 2 und 4), die nicht bereits in der Rechtssache C-252/21 Bundeskartellamt entschieden worden waren. Die verbleibenden Fragen sind:

  • Ursprüngliche Frage 2: Ist Art 5 Abs 1 lit c DSGVO (Datenminimierung) dahin auszulegen, dass alle personenbezogenen Daten, über die eine Plattform wie im Ausgangsverfahren verfügt (insbesondere durch den Betroffenen oder durch Dritte auf und außerhalb der Plattform), ohne Einschränkung nach Zeit oder Art der Daten für Zwecke der zielgerichteten Werbung aggregiert, analysiert und verarbeitet werden können?
     
  • Ursprüngliche Frage 4: Ist Art 5 Abs 1 lit b iVm Art 9 Abs 2 lit e DSGVO dahin auszulegen, dass eine Äußerung über die eigene sexuelle Orientierung für die Zwecke einer Podiumsdiskussion die Verarbeitung von anderen Daten zur sexuellen Orientierung für Zwecke der Aggregation und Analyse von Daten zum Zwecke der personalisierten Werbung erlaubt?

Datenminimierung. Die ursprüngliche Frage 2 betrifft Metas Behauptung, dass alle persönlichen Daten im Wesentlichen in einen großen "Datenpool" eingehen und unbegrenzt für persönliche Werbung verwendet werden können. Dies scheint ein offensichtlicher Verstoß gegen den Grundsatz der Datenminimierung zu sein. Während es in einigen Fällen eine klare Grenze für die Löschung gibt (z. B. wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Aufbewahrung von Aufzeichnungen endet), ist die Frage im Zusammenhang mit Werbung komplexer.

Katharina Raabe-Stuppnig: "Derzeit speichert die Online-Werbebranche einfach alles für immer. Das Gesetz besagt eindeutig, dass die Verarbeitung nach ein paar Wochen eingestellt werden muss. Für Meta würde das bedeuten, dass ein großer Teil der Informationen, die es in den letzten zehn Jahren gesammelt hat, für die Werbung tabu wird."

Weitere Verwendung von sensiblen Daten. Die ursprüngliche Frage 4 bezieht sich auf das Argument des Gerichts erster Instanz (und teilweise von Meta), dass Herr Schrems seine sexuelle Orientierung bei einer Veranstaltung in Wien erwähnt hat. Daher habe er möglicherweise (implizit) in die Verarbeitung personenbezogener Daten über die sexuelle Orientierung (und das Sexualleben, das in Artikel 9 DSGVO gesondert geschützt ist) für Werbung eingewilligt, die Jahre vor der öffentlichen Erklärung stattfand. Es besteht zwar Einigkeit darüber, dass diese Erklärungen öffentlich gemacht wurden. Herr Schrems bestreitet jedoch, dass Meta deshalb in den Jahren davor andere – sehr persönliche – Daten verarbeitet haben könnte. Herr Schrems betont, dass der Grundsatz der "Zweckbindung" parallel gilt und dass Informationen, die zu zum Zweck der Kritik an einer rechtswidrigen Verarbeitung durch Meta weitergegeben werden, nicht (rückwirkend) die Verwendung personenbezogener Daten für einen völlig anderen Zweck (wie etwa Werbung) erlauben können.

Katharina Raabe-Stuppnig: "Diese Angelegenheit ist von großer Bedeutung für alle, die öffentliche Aussagen tätigen. Verzichtet man auch für völlig unzusammenhängende Informationen rückwirkend auf das Recht auf Privatsphäre? Oder kann nur die Aussage selbst für den von Verfasser:innen beabsichtigten Zweck verwendet werden? Wenn das Gericht dies als einen allgemeinen 'Verzicht' auf die eigenen Rechte auslegt, würde dies jede Online-Rede auf Instagram, Facebook oder Twitter unterdrücken."

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