Unsere Wasserkraft & KSV1870: Sauberer Strom nur nach unsauberer Bonitätsprüfung?

Profiling & Automated Decision Making
 /  Thu, 29.08.2024 - 07:00

noyb hat heute eine Beschwerde gegen die Kreditauskunftei KSV1870 und den Energielieferanten “Unsere Wasserkraft” bei der österreichischen Datenschutzbehörde eingebracht. Beim Versuch, einen Vertrag mit Unsere Wasserkraft abzuschließen, werden Neukund:innen ungefragt einer vollautomatisierten Bonitätsprüfung durch den KSV unterzogen. Wird einem dabei ein vermeintlich unzureichender Score zugeordnet, wird man von ohne weitere Überprüfungsmaßnahmen als Kund:in abgelehnt. Ein solches Vorgehen ist rechtswidrig, das hat mittlerweile auch der Europäische Gerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall festgestellt. Der KSV1870 und seine Kund:innen scheinen sich die Verantwortung für eine Einzelfallprüfung hin- und herzuschieben.

Unsere Wasserkraft_KSV

Willkommen ... und auf Wiedersehen! Auf der Suche nach einem neuen Energieanbieter wollte der Beschwerdeführer einen Vertrag mit “Unsere Wasserkraft” abschließen. Es dauerte nach der Registrierung nur wenige Minuten, bis ihn das Unternehmen als Neukunde willkommen hieß. Die Freude war jedoch von kurzer Dauer: Nur eine Minute später teilte der Anbieter dem Beschwerdeführer mit, dass wegen einer „unzureichenden Bonitätsbewertung“ nun doch kein Vertrag zustande komme. Für weitere Informationen zur Einschätzung seiner Kreditwürdigkeit wurde der Betroffene lediglich an den Gläubigerverband KSV1870 verwiesen.

Undurchsichtige Geschäftspraktiken. Doch was war passiert? Erst dank eigener Recherchen konnte der Beschwerdeführer detailliertere Informationen herausfinden: Der KSV1870 hatte aufgrund einer Abfrage von Unsere Wasserkraft seinen Bonitätswert errechnet. Das vermeintlich unzureichende Ergebnis nutzte der Energielieferant anschließend als Grundlage für die Entscheidung, den Betroffenen als Kunden abzulehnen. Was dieses Prozedere so problematisch macht: Die Entscheidung wurde vollautomatisiert durchgeführt. Das bedeutet, dass zu keinem Zeitpunkt Menschen involviert waren, die auf mögliche Fehler hätten hinweisen können. Dabei stellt die DSGVO unmissverständlich klar, dass vollautomatischen Entscheidungen mit solch weitreichenden Auswirkungen (mit wenigen Ausnahmen) grundsätzlich verboten sind.

Martin Baumann, Datenschutzjurist bei noyb: „Die DSGVO enthält klare Vorschriften zum Schutz von Menschen vor dem unrechtmäßigen Einsatz von Algorithmen. Trotz mittlerweile klarer Rechtsprechung des EuGH ignorieren viele Unternehmen diese Regeln weiterhin.“

Unrechtmäßige Bonitätsprüfung. Mittlerweile hat auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) festgestellt, dass ein solches Vorgehen unrechtmäßig ist. Im Urteil zu einem Fall gegen die deutsche Wirtschaftsauskunftei SCHUFA hat der EuGH festgehalten: Wenn Unternehmen das Ergebnis einer Bonitätsprüfung maßgeblich für Entscheidungen heranziehen, gilt bereits diese Bonitätsprüfung als grundsätzlich verbotene Entscheidung gemäß Artikel 22 DSGVO.

KSV 1870 wälzt Problem auf Unternehmen ab. Die EuGH-Rechtsprechung scheint den KSV1870 leider nicht zu interessieren. Statt das eigene Vorgehen anzupassen, behauptet die Kreditauskunftei fälschlicherweise, dass die errechneten Bonitätswerte keinen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung von Unternehmen hätten, die genau diesen Score nutzen. Zur Erinnerung: Unsere Wasserkraft hat den Beschwerdeführer ausschließlich auf Basis der Bonitätsprüfung durch den KSV abgelehnt. Eine manuelle Prüfung des Antrags gab es nicht. Statt sich um rechtskonforme Sicherheitsmaßnahmen zu kümmern, schieben sich die Firmen gegenseitig die Schuld in die Schuhe: Der KSV1870 meint, seine Kooperationspartner müssten im Einzelfall nachprüfen, diese Verweisen jedoch ihre Kund:innen wiederum auf den KSV.

Martin Baumann, Datenschutzjurist bei noyb: „Konsument:innen müssen im Falle einer vollautomatisierten Entscheidung die Möglichkeit haben, einen echten Menschen zu involvieren, ihren eigenen Standpunkt darzulegen und die automatisierte Entscheidung anzufechten.“

Willkürliche Bonitätswerte. Der aktuelle noyb-Fall verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig das Grundrecht auf Datenschutz für das alltägliche Leben von Menschen ist – und wie willkürlich Bonitätsberechnungen zu sein scheinen. Auch im nun von noyb vorgebrachten Fall scheint die Bewertung eher „situationselastisch“ zu sein: Kurz nachdem der Beschwerdeführer seinen Bonitätswert beim KSV beanstandete, wurde dieser plötzlich angepasst. Anschließend wäre ein Vertrag mit Unsere Wasserkraft eigentlich problemlos möglich gewesen. In der Zwischenzeit musste sich der Beschwerdeführer allerdings schon an einen anderen Energieanbieter wenden. Dass Bonitätswerte im Einzelfall so einfach modifiziert werden können, lässt allerdings Zweifel aufkommen, ob diese überhaupt die hohen Erwartungen hinsichtlich Korrektheit und Belastbarkeit erfüllen.

Beschwerde gegen KSV1870 und Unsere Wasserkraft. noyb hat nun eine Beschwerde gegen die Kreditauskunftei KSV1870 und Unsere Wasserkraft bei der österreichischen Datenschutzbehörde (DSB) eingebracht. Mit ihrem Vorgehen haben die Unternehmen gegen die Artikel 13, 14, 15 und 22 DSGVO verstoßen. noyb fordert die DSB insbesondere auf, gegenüber dem KSV ein Verarbeitungsverbot hinsichtlich der automatischen Berechnung von Bonitätswerten auszusprechen, solange nicht sichergestellt ist, dass diese Bewertungen auf die wenigen erlaubten Einzelfälle beschränkt sind.