OLG Wien: Facebook muss Auskunft über Daten geben

Tue, 29.12.2020 - 12:47
Justizpalast

Das Oberlandesgericht Wien (OLG Wien) hat entschieden, dass Facebook Max Schrems 500 € Schadenersatz zahlen und ihm vollen Zugang zu allen Daten gewähren muss, die Facebook über ihn speichert. Allerdings muss der Internetriese aber nach dem EU-Datenschutzrecht (DSGVO) nicht die Einwilligung der Nutzer:innen zur Verwendung ihrer Daten einholen. Stattdessen kann sich Facebook in seinen Geschäftsbedingungen einfach das Recht einräumen, alle Daten zu nutzen.

Facebooks "Einwilligungsumgehung" rechtmäßig? Die DSGVO erlaubt verschiedene Grundlagen für die Verarbeitung von Daten: Etwa die Einwilligung oder einen Vertrag. Zivilrechtliche Verträge müssen die Anforderungen an eine "Einwilligung" nach der DSGVO nicht erfüllen. Das bedeutet, dass Nutzer:innen keine freiwillige, gesonderte und eindeutige Einwilligung zur Verwendung von personenbezogenen Daten geben müssten. Man kann einen Vertrag (anders als eine Einwilligung) auch nicht mehr jederzeit widerrufen.

Facebook hat in der Nacht zum 25.5.2018, als die DSGVO in Kraft trat, die "Einwilligung" einfach in seine Geschäftsbedingungen kopiert und behauptet nun einen "Vertrag" zur Nutzung der persönlichen Daten zu haben. Dieser neue Vertrag ersetzt damit die Einwilligung, die vor der DSGVO genutzt wurde. Damit sollten die vom EU-Gesetzgeber geforderten strengeren Datenschutzanforderungen umgangen werden: Die Facebook-Nutzer:innen haben nach der DSGVO nun weniger Rechte als zuvor unter dem alten Datenschutzrecht, denn laut OLG Wien haben sie einen Vertrag über den Erhalt von personalisierter Werbung geschlossen. In einer repräsentativen Umfrage von 1.000 Facebook-Nutzer:innen, gingen jedoch nur 1.6% der Nutzer:innen von einem solchen "Vertrag" aus. Der größte Teil ging von einer "Einwilligung" aus - so wie der Kläger. Auch der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) erlaubt ausdrücklich keine "Verträge über Datennutzung" statt einer Einwilligung.

Schrems:"Das Gericht erlaubt Facebook, die neuen DSGVO-Anforderungen zu umgehen. Facebook hat in der Nacht, in der die DSGVO in Kraft getreten ist, die 'Einwilligung' einfach in ein anderes Dokument kopiert und behauptet nun, dass es keine Einwilligung mehr wäre. Die Konsequenz wäre, dass die Europäer nun weniger Schutz haben als vor der DSGVO. Facebook missbraucht eindeutig das Gesetz und das kann unmöglich toleriert werden."

Facebook muss 500 € zahlen und vollen Zugang zu den Daten gewähren. Andererseits hat Facebook seine Berufung zum Recht auf Zugang verloren. Die österreichischen Gerichte haben nun in zwei Instanzen entschieden, dass Facebook den Nutzer:innen nicht den vollen Zugang zu allen relevanten Daten in ihren verschiedenen "Tools" gewährt. Die Gerichte haben auch entschieden, dass die Nutzer:innen ein Recht darauf haben, zu erfahren, welche anderen Parteien Facebook Daten zur Verfügung gestellt haben oder ob und an wen Facebook Daten weitergegeben hat. Da Facebook Herrn Schrems über diese Details konsequent im Unklaren gelassen hat, sind sie verpflichtet, zumindest den von Herrn Schrems geforderten symbolischen Betrag von 500 € als emotionalen Schadenersatz zu zahlen.

Schrems:"Es ist klar, dass Facebook die relevanten Informationen faktisch nicht zur Verfügung stellt. Ich bin froh, dass die Gerichte auch in solchen Fällen Schadenersatz zulassen, in denen Unternehmen ihren Nutzern konsequent das Recht verweigern, zu erfahren, welche Daten ein Unternehmen über sie besitzt."

Berufung beim Obersten Gerichtshof und möglicherweise Vorlage beim EuGH: Das Oberlandesgericht Wien hat eine Revision an den Obersten Gerichtshof (OGH) zugelassen. Herr Schrems wird, mit seiner Anwältin Katharina Raabe-Stuppnig ein Rechtsmittel einlegen. Es ist wahrscheinlich, dass der OGH diese Fragen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorlegt. Dieses höchste Gericht in der EU hätte dann das letzte Wort, ob Facebooks DSGVO-Umgehung legal ist.

Schrems:"Es scheint, dass das Gericht sich mit vielen der Probleme, die dieser Fall aufwirft, nicht wirklich näher beschäftigt hat. Wir werden ganz klar versuchen, diesen Fall bis zu den höchsten Gerichten zu bringen. Im Frühjahr 2021 könnte es eine Vorlage an den EuGH zu den Kernfragen geben. Wenn es der Industrie erlaubt wird, einfach eine Zeile zu ihren Bedingungen hinzuzufügen, um die Einwilligungsanforderungen zu umgehen, können wir große Teile der DSGVO schreddern."